Aus Erzählungen meiner Mutter habe ich früh gelernt, das Phänomen Empathie zu verstehen. Und zwar auf die verkehrte Art. Die dialektische Methode verstand ich allerdings erst später als ich hochgeschult wurde. Meine Mutter war damals von Berufs wegen ein „Fräulein vom Amt“. Sie gab Anrufern Auskunft über die damals noch eingeschränkte Erreichbarkeit, mittels der Herausgabe der um des „Fräuleins“ Auskunft bittende Telefonnummer.

Laut der Mutter ergab sich oft ein ähnlicher Dialog folgenden Wortlauts: „Guten Tag, liebes Fräulein. Sie sind die Auskunft. Ich benötige die Telefonnummer meiner Tante.“- „Wie heißt denn ihre Tante?“ – „Erna! Tante Erna!“ – „Und der Nachname?“ – „Ja, so wie ICH.“ – „Gut. Hier vor Ort?“ – „Ja, natürlich. Wo denken Sie denn hin? Etwa in Schabernack oder Billigheim?“ – „Alles gut! Danke bis hierher. In welcher Straße wohnt denn ihre Tante?“ – „Fräulein!! Hier gleich um die Ecke, direkt neben der Änderungsschneiderei Otto Siehdichum. Das dürften selbst Sie nicht übersehen können, sehr geehrtes Fräulein Auskunft.“

Die Behauptung, dass sich zwei weit auseinanderliegende Gegensätze, letztendlich gleichsetzen, deckungsgleich werden – der Kreis dabei als bildliche Anschauungshilfe – hat vernünftige Argumente.

Hier der feste Glaube der um Auskunft Bittenden, der andere könne sich bis zur Hellseherei komplett in einen hineinversetzen, dort die Gewissheit, die eigene Lebenswelt sei exakt die Lebenswelt aller anderen Mitmenschen. Wobei dann in vergleichbaren Lebenssituationen subjektive Bemerkungen so mancher Leute zu hören sind, immer dann, wenn dann plötzlich – Oh Jeh welch‘ Überraschung – die objektiven Naturgesetze nicht nur im außergewöhnlichen WeltAll, sondern auch im gewöhnlich intersubjektiven AllTag gelten: „Das gibt‘s ja gar nicht! – Das ist ja nicht zu fassen! – Wahnsinn!“

„Zwei Dinge erfüllen mein Gemüt…der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“ (Immanuel Kant  * Montag, 22. April 2024 – 300. Geburtstag)