Den Namen Nasreddin Hoca, Todesjahr 1284, kennt im Orient und in der islamischen Welt jeder. Ob historische Persönlichkeit oder eine zur Legende überhöhte Erzählfigur, Nasreddin Hoca steht für den Typ Schlitzohr, eine Person, welche mit Ironie und eine Menge Lebensweisheit, manchmal auch mit einer bitter-süßen Portion Zynismus, die Schwächen der Menschen durch den Kakao zieht – in klaren Linien, mithilfe einfacher Sprache. Und die Menschen in seinen Geschichten auf das Vortrefflichste karikiert.

Der Sohn saß auf dem Esel. Nasreddin Hoca ging zu Fuß. Da riefen die Leute: Jetzt schaut euch mal die heutige Jugend an. Der Junge lässt den Vater laufen. Beschämt tauscht der Sohn mit dem Vater den Platz. Kurz darauf treffen sie auf andere Leute. Nun schaut euch das mal an: Der arme kleine Junge muss zu Fuß gehen, während der Vater auf dem Esel sitzt. Da sagt der Hoca zu seinem Sohn: Das Beste ist, wir gehen beide zu Fuß, damit sich niemand beschwert. Wieder trafen sie Leute. Jetzt schaut euch diese beiden Dummköpfe an. Keiner von den beiden reitet in der heißen Sonne auf dem Esel. Leise sagt der Hoca zu seinem Sohn: Da siehst du, wie schwer es ist, sich nach der Meinung der Leute zu richten.

Abgesehen davon, dass niemand naseweis anderen folgen möchte, die liberale Lesart lautet: Richte dich niemals nach der Meinung der Leute. Die emanzipatorische: Überprüfe deine Meinung, wenn sie der Mehrheitsmeinung gleicht. Die ästhetische Lesart: Unzählige Schmeißfliegen haben recht – S… schmeckt gut. Schlussendlich jener Stimulus einer Defäkation: S… was drauf!

Die klügste Äußerung in diesem Zusammenhang ist sicherlich die von Immanuel Kant: Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.