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Schaut man auf die Social-Media-Plattformen, erscheint folgende Aussage wie aus einer anderen Zeit:

Die Wahrheit in der Kritik zu sagen, ist das Wenigste. Die Voraussetzung: es kommt darauf an, wie man sie sagt. Ich dachte, die Kritik auf eine Stufe zu bringen, wo sie eine dichterische Kunst sein kann.“, Alfred Kerr (1867 – 1948).

Zu seiner Beerdigung verbat sich Alfred Kerr Zeremonie und Trauerreden. Einer der größten Wortkünstler der letzten 150 Jahren wollte, dass niemand das Wort ergreift. Wie hätte ein potenzieller Redner auch das Sprachniveau des Verstorbenen erreichen können?

„Wir Literaturmenschen und leidenschaftliche Beobachter, die wir eine halb perverse Menschengattung sind, können es nicht lassen, im Leben und an den Ereignissen vor allem die künstlerische Seite abzuschätzen. In dieser Reihenfolge:„Beobachten, Empfinden, Genießen, Abschätzen, Einschätzen, Beschreiben, Beurteilen!

Alfred Kerr gilt bis heute als der größte und wirkungsmächtigste Kritiker des 20. Jahrhunderts, sein Steckenpferd war das Theater, für Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) ist er ein Vorbild gewesen.

Ein Verriss aus seiner Hand konnte das Ende für Literaten, Schauspieler, Intendanten und Regisseure bedeuten. Lobte er hingegen, war ein Karrieresprung gewiss. Und wie das Eingangszitat zeigt, verstand sich Alfred Kerr nicht als dienender Helfer der Kunst. Er sah sich im eigenen Schreiben als origineller Künstler.

Mittel seiner Schreibkunst waren Ironie, Kürze, Schärfe – nur keine simple Informationsvermittlung. Immer bemüht, beim Leser in deren „Gehirne einen Blitzschlag zu erzeugen“.

Selbst die größten Geister seiner Zeit waren vor seiner spitzen Schreibfeder nicht sicher. Über Thomas Mann schrieb er: „Der Autor der Buddenbrooks ist kein Blitzdichter, sondern ein Sitzdichter. Seine Begabung wohnt im Sitzfleisch.“ Ironisch ersetzte Kerr den Titel Buddenbrook durch Bodenbruch.

Alfred Kerr war als Deutscher wie als Jude seiner selbst sicher und bewusst. In die innere und äußere Unsicherheit zwang ihn jedoch die Naziherrschaft. Tochter Judith beschrieb später, wie die Familie diese Flucht aus der kindlichen Perspektive erlebte, in: „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“.

In seinen letzten Lebensjahren nahm sich Alfred Kerr (1867-1948) vermehrt in einsamer Introspektive wahr. „Im Zeitenstrom tanzt ein Atom. Habe manche Lust empfunden in 93 Traumsekunden. Bevor es in das All versinkt, winkst du ihm zu….