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Aus aktuellem Anlass erscheint auf dieser Webseite außer der Reihe und im sidestep ein Beitrag der Webseite „Vielfalt! Das bunte Münster“

Ein Sommerabend zwischen Spannung und Songwriting

Der Schlossplatz in Münster – sonst ein Ort studentischer Rast oder touristischer Rastlosigkeit – verwandelte sich am 2. August erneut in einen temporären Kinosaal unter freiem Himmel. Das SPARDA-BANK SOMMERNACHTSKINO, längst eine feste Größe im Kultursommer der Stadt, lud ein – und das Wetter zeigte sich passend zum Film: mit dunklen, lauernden Wolken, die wie Vorboten innerer Konflikte über der Stadt hingen, ohne jedoch ihre Drohung wahrzumachen.

Die Atmosphäre war geprägt von gespannter Erwartung – zwischen Picknickdecken, Strand- und Gartenstühlen. Bei freier Platzwahl kommt es zu jener eigentümlichen Balance aus Vorsicht und Improvisation, die einen besonderen Reiz entfaltet. Einige Besucher trugen vorsorglich ihre Regenschirme wie Reliquien durch die Reihen, was vereinzelt zu leicht versperrter Sicht führte – aber das gehört dazu. „Like a rolling stone“, könnte man sagen, nur eben mit Festivalcharme.

Vor dem Filmbeginn – wie immer bei ausreichender Dunkelheit – versorgte das Team von gastro.ms das Publikum mit Speisen und Getränken, das auch bei reinem Kartenzahlbetrieb nichts von seiner Wirkung verlor. Die Wartezeit verging schnell, untermalt von einem unaufgeregten, aber stimmungsvollen Rahmenprogramm – einer Verlosung.

Dann: Like A Complete Unknown, James Mangolds vielbeachtetes Biopic über die frühen Jahre Bob Dylans, entfaltet sich auf der riesigen Airscreen-Leinwand. Keine leichte Kost für eine Sommernacht, aber ein Film, der durch seine visuelle Opulenz und musikalische Tiefe überzeugt. Timothée Chalamet, in der Titelrolle, ist keine bloße Besetzung – er ist Dylan. Mit bemerkenswerter Detailtreue und einer Aura zwischen Trotz und Zerbrechlichkeit spielt er den Weg vom Folk-Novizen zum elektrischen Rebellen, der sein Publikum vor den Kopf stößt – und sich selbst treu bleibt.

Die Nebenrollen: exzellent. Edward Norton als dogmatischer Pete Seeger bringt das Spannungsfeld zwischen musikalischer Reinheit und politischem Pathos auf den Punkt. Elle Fanning überzeugt als Muse artige Sylvie Russo, Monica Barbaro gibt Joan Baez die richtige Mischung aus Stolz und Sensibilität.

Der Film zeigt ein Amerika im Umbruch – mit auf Hochglanz polierten Oldtimern, verrauchten Clubs und Szenen, die wirken, als seien sie durch einen Filter der Erinnerung gedreht worden. Mangold zelebriert nicht nur Musikgeschichte, sondern erschafft ein atmosphärisches Zeitbild, das vor allem auf großer Leinwand wirkt – und unter freiem Himmel noch mehr.

Nicht unerwähnt bleiben darf, dass gewisse Aspekte Dylans Biografie – Drogen, Eskapaden, Radikalismen – bewusst ausgeklammert werden. Stattdessen bleibt der Film nah am Mythos, fern vom Skandal. Ob das ein Mangel oder ein Kunstgriff ist, darüber lässt sich trefflich streiten.

Am Ende des Abends jedoch bleibt das Gefühl, etwas erlebt zu haben. Etwas zwischen Himmel und Leinwand, zwischen Rock ’n’ Roll und dunklem Abendblau. Like A Complete Unknown – ein Film, der bleibt. Und ein Kinoabend, der dem Wetter trotzte, indem es ihm einfach keinen Anlass zum Zuschlagen gab.