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Während der Sommerzeit im letzten Jahr, auch im Ausblick auf das nächste Jahr befand und wird sich erneut dieses Land im Fußballfieber befinden, denn kein anderes Ereignis kann mehr mediale Aufmerksamkeit hervorrufen als ein großes internationales Fußballturnier, wenn sich die verschiedenen Nationen sportlich messen – das hat immer Hand (Applaus) & Fuß („Sportgerät“) und garantiert mehr Emotionen als Kopflastiges in jeder Sendung, so dass ich in querer & provokativer Haltung das nun folgende tippen muss, nicht als Fan, als neugierig Interessierter:
Während alle Welt den Blick abwendet, schaue ich hin: auf die Klub Weltmeisterschaft – das meistunterschätzte Turnier im Weltfußball. Warum niemand darüber spricht – und warum das ein Fehler ist.
Zwischen Sommerpause, Transfergeflüster und PR-Reisen läuft ein Fußballturnier, das kaum wahrgenommen wird: die Klub-Weltmeisterschaft. Zuschauerzahlen? Überschaubar. Medienresonanz? Allenfalls beiläufig. Dabei wird übersehen, wie viel sportliches und kulturelles Potenzial in diesem Format steckt.
Die Klub-WM bringt Meister aus fünf Kontinenten zusammen – von Casablanca bis Auckland, von Rio bis Riad. Fußball in seiner ursprünglichsten Form: keine Nationalhymnen, kein geopolitischer Ballast, sondern Vereine gegen Vereine. Und doch: wenig Interesse.
Ein historischer Vergleich drängt sich auf. Die erste WM der Nationalmannschaften 1930 in Uruguay? Von Europa weitgehend ignoriert. Heute verklärt man sie zum Ursprung des Weltfußballs. Warum also nicht der Klub-WM eine ähnliche Entwicklung zutrauen?
Besonders auffällig: Die Öffentlichkeit bevorzugt weiterhin Länderspiele, obwohl der Fußball längst auf Vereinsebene lebt. Nationalteams sind austauschbar, abhängig von Geburtsort und Pass. Vereine hingegen sind tief verankert in Quartieren, Regionen, Identitäten. Sie wachsen über Generationen, mit Mythen, Rivalitäten und Farben, die mehr bedeuten als nur das Spiel. Warum also wird ein globales Vereinsturnier als belangloser Event abgetan, während ein Freundschaftsspiel zwischen zwei mittelklassigen Nationalteams Einschaltquoten bringt?
Natürlich wirft man der FIFA vor, es gehe ums Geld. Aber das Geschäft ist längst Teil des Spiels. Die Frage ist nicht, ob Geld verdient wird, sondern wofür. Wenn man mit wirtschaftlicher Power ein Turnier schafft, bei dem Al-Ahly gegen Real Madrid spielt – was genau ist daran verwerflich?
Auch der Austragungsort USA wird kritisiert. Leere Ränge, wenig Atmosphäre. Doch Globalisierung bedeutet auch: dem Fußball neue Räume zu eröffnen. Die USA sind kein traditionsreiches Fußballland – noch nicht. Aber der Fußball dort wächst, und man sollte ihn nicht gleich für mangelnde „Kultur“ disqualifizieren.
Vielleicht fehlt der Klub-WM heute noch das Pathos, die Gravitas, die „große Erzählung“. Aber genau das braucht Zeit. Die Champions League wurde auch nicht über Nacht zur Ikone.
Die Klub-WM ist das Turnier, das in 20 Jahren vielleicht DAS Ereignis des globalen Vereinsfußballs wird. Der Fußball gehört nicht mehr nur Europa oder Südamerika. Er ist Weltkultur. Und er braucht ein Weltturnier auf Vereinsebene, das diesem Anspruch gerecht wird.
Wer heute lacht, hätte 1930 wohl auch gesagt: „Uruguay? Da fährt doch keiner hin.“
Die Klub-WM ist nicht das Turnier, das der Fußball gerade will. Aber vielleicht ist sie das Turnier, das der Fußball gerade braucht.
Zitate zur historischen Einordnung
„Die WM 1930 war ein Abenteuer. Wir sind mit dem Schiff von Frankreich nach Uruguay gereist. 15 Tage auf See – das war damals normal.“ — Lucien Laurent, Torschütze des ersten WM-Tores
„Es gab kaum Berichte in den Zeitungen. Erst als wir wiederkamen, haben sie verstanden, dass etwas Großes begonnen hatte.“ — José Nasazzi, Kapitän Uruguays 1930
„Der Fußball ist das Spiel des Volkes, auch wenn er von Geschäftsleuten verwaltet wird.“ — Schriftsteller Eduardo Galeano aus Uruguay
P.S.: Medienresonanz 1930: Nur drei Sätze in der Frankfurter Zeitung, völliges Schweigen in der Londoner Times.