In der Frühphase der Privat-Fernsehsender (RTL, Sat.1, VOX) wurden auch Kulturmagazine des Medienunternehmens dctp ausgestrahlt. Die Sender wurden damals vertraglich verpflichtet, einen geringen Anteil ihrer Sendezeit kulturellen Themen zu widmen. Intellektuelles Fernsehen bei den Privaten – heute unvorstellbar.
So konnte auch das Fernsehpublikum den Filmemacher Alexander Kluge kennenlernen, der, während er seine Gesprächspartner interviewte, selbst nicht im Bild zu sehen war. Alexander Kluge fungierte als Fragesteller „aus dem Off“.
Weiße Hemden trage ich 1-3 Tage. Es kann passieren, dass ich nicht sofort einen objektiv winzigen, jedoch einen nach der Entdeckung dann stetig subjektiv ins Auge stechenden Schmutzfleck wahrnehme. Das Hemd muss dann geschwind in den Schmutzwäschebeutel, das Hemd ist von gleich auf jetzt untragbar geworden.
Irgendwann viel mir bei Kluge sein fast jeder Frage, fast jedem Satz angehängtes Ja auf, einem Ja im Fragezeichenton. Mein TV-Gerät entging dem Schmutzbeutel, nicht jedoch der Ausschaltung. Einmal wahrgenommen, sofort Restless Legs.
Seitdem sind mehr als drei Jahrzehnte vergangen. Inzwischen haben Soziologen, Pädagogen und auch Psychologen das fürs Individuum bestimmte Narzissmus-Phänomen gleich auf die gesamte Gesellschaft übertragen und sprechen nun von narzisstischen Gesellschaften.
Bisher glaubte man, die auch häufig viel zu schnell und zu Unrecht als Narzissten titulierten Menschen sprachlich an den Unmengen des verwendeten Wortes Ich und seinen kleinen Geschwister mir, mich, meins… erkennen zu können. Jenen Menschen, denen es auch nicht genügt sich stillschweigend fremdbeobachten zu lassen, da es dann ja nur heißen kann „Schau mal, ER/SIE geht in die Küche.“ Nein, für diese Menschen müssen selbst eigene Körperbewegungen sich der Selbstverkündung würdig erweisen: „ICH gehe jetzt in die Küche.“ Wort und Tat verschmelzen hier im Egoschritt.
Die neuste verbale Mode ist, diese fiel mir zuerst bei Interviews der Spieler nach Fußballtrettreffen auf:
Ja und Genau
Dabei haben diese beiden Wörter nicht die Funktion der herkömmlichen Füll- bzw. Überbrückungswörter. Nicht so wie beim rhetorisch verschmähten Ausdruck Äh. (Gefürchtet wie sein Aufschlag ist sicher das zur Berühmtheit gewordene Boris-Becker-Äh.)
Ja (mit Ausrufezeichen) pointiert die eben geäußerte Wichtigkeit des Gesagten und soll mögliche Widerworte und alternative Ansichten ins Leere laufen lassen. Die Wortwahl Genau akzentuiert die Perfektion des Gesagten, besser ließe sich das auch bei ehrgeizigstem Willen nicht ausdrücken, so die beigefügte nonverbale Zusatzbotschaft. Beides zusammen unterstreicht die eigene Großartigkeit.
Alexander Kluges Anhängsel stellte seine eigenen Aussagen noch in Frage, auch wenn er seine Fragen mitunter selbst und nicht seine Interviewpartner beantworteten – nicht klug, auf alle Fälle wenig höflich. Diesen Zweifel gibt es heute nicht mehr. Widerspruch, Kritik, andere Meinungen, man gucke nur in die Internetforen, erzeugen Kopfschütteln, Unverständnis, Wut – das ganz große Gewese. Ja/ Genau sind die Dechiffrierungsbegriffe unsere Zeit. Um das zu erkennen, muss man den Leuten lediglich aufmerksam zuhören. Klar, klingt ein wenig nach unauflösbarem Zirkelschluss.
“I can see the truth in his statement” Diminished – R.E.M. UP (1998)