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Wer lacht, hat noch nicht aufgegeben. Das klingt wie ein „Reinigungsbad der Seele“ (Kurt Tucholsky), entnommen den Kalendergeschichten des seligen Johann Peter Hebel, ist aber bei genauerem Hinsehen eine anthropologische Wahrheit. Humor ist keine Spielerei des Geistes, sondern eine Überlebensstrategie mit Tiefgang.

Das Wort Humor stammt ursprünglich vom lateinischen humor – Flüssigkeit. Das war früher das, was einem auslief, wenn die Körpersäfte nicht ganz im Gleichgewicht waren. Der Humorist war nicht etwa der Salonlöwe mit Zylinder und Pointe, sondern der, bei dem etwas überlief. Erst später wurde aus dem Überschuss an Galle, Schleim oder Tränenblut eine Fähigkeit zur feinen Irritation – oder einfacher: zur guten Nachahmung. Erst im 18. Jahrhundert durfte man dann auch mal freiwillig witzig sein. Und plötzlich galt: Wer sich selbst zum Narren macht, ist ein guter Mensch. Wer andere, ist ein schlechter. Ein Missverständnis, das sich bis heute hält wie das Gerücht, man könne bei Schlager Musikgeschmack entwickeln.

Schon Kleinkinder haben einen gewissen Sinn für’s Komische – solange sie sich sicher fühlen. Das klassische „Kuckuck!“-Spiel löst echte Begeisterung aus, aber wehe, es ist Onkel Erwin mit der Bierfahne hinter der Gardine, dann ist es mit dem Lachen schnell vorbei. In ihrer frühen Humorbiografie testen Kinder Tabus und rollen sich vor Lachen, wenn jemand „Popel“ sagt oder sich die Zahnbürste ins Ohr steckt. Wer darüber hinwegkommt, entwickelt später vielleicht eine gewisse Neigung zu absurden Pointen – oder wird Mitglied in einem Kulturverein.

In der Schule sind es oft die Klassenclowns, die den Ernst des Lebens wie einen Clownsnasen-Gag unterbrechen. Doch nicht jeder Spaßvogel ist ein clownesker Dummkopf. Studien zeigen: Klassenclowns haben oft die höchste Ausprägung an Humor als nachweisbare Charakterstärke – und häufig auch das größte Führungspotenzial. Sie könnten die Klasse auch zur Revolution anstiften – entscheiden sich aber meist fürs Toasten des Italienischbuchs im Heizkörper. Der Humor kennt eben seine eigenen Wege. Und manchmal riecht er nach geschmolzenem Gorgonzola.

Witzvorlieben lassen dabei tief blicken. Wer auf Blondinenwitze steht, sehnt sich womöglich nach Struktur, Auflösung und einem musikalischen Refrain mit Florian Silbereisen. Wer sich dagegen bei Nonsens Witzen kringelt, liebt Unstimmigkeiten – und hat vermutlich Jazzplatten im Regal. Oder wenigstens Franz Kafka gelesen, ohne in Depressionen zu versinken. Humor ist also ein Spiegel der kognitiven Komplexität – und zeigt, wie sehr wir bereit sind, auch ohne Pointe, die auch immer eine Lebensstilempfehlung ist, dieses eine Leben fortzuführen. Was wiederum erklärt, warum Loriot ein Volksheld und nicht nur ein exzentrischer Bleistiftzeichner wurde.

Und dann ist da noch der Humor in jenen Momenten, in denen er nichts zu suchen hat – und genau deshalb auftaucht. Im Krieg, im Krankenhaus, im Konzentrationslager. Dort, wo Verzweiflung die Lufthoheit hat, schleicht sich der Humor manchmal als letzter Verbündeter ein. Ein Witz, ein Spitzname, ein alberner Akt der Sinnlosigkeit – und plötzlich ist das Menschliche zurück. Nicht laut, nicht taktlos, sondern still rebellisch.

Denn Humor ist nicht immer ein Gag. Er ist eine Haltung. Die Weigerung, sich von der Welt entwürdigen zu lassen. Ein letzter Rest Souveränität in der Suppe der Absurdität. Und manchmal eben ein Stück Nasenspeck, das jemand seinem Nachbarn ins Ohr dreht – weil er es kann.