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Mit einem mir freundschaftlich verbundenen Arbeitskollegen habe ich über den Botenmeister Blog geredet. In dem Gespräch war es mir wichtig festzustellen, dass ich bei jedem Text darauf achte, das Wort Ich zu vermeiden, es möglichst wenig zu benutzen. Auch die Geschwisterwörter meins, mich, mir, etc. will ich in meinen Texten auf ein Minimum reduziert wissen.
Im menschlichen Verhalten gibt es zwei unterschiedliche Handlungsstrategien: Mitmachen oder Dagegenhalten. In meinem Umfeld wird das Wort Ich inflationär benutzt. Mein Wesen schreibt mir jedoch vor, so bin ich konditioniert worden in meiner Sozialisation: Da mache ich nicht mit.
Wir leben vermehrt in einer narzisstischen Gesellschaft. Stimmt das? Da bin ich mir nicht sicher, vermuten tue ich es aber trotzdem. Der mächtigste Politiker ist ohne jeden Zweifel wahrhaftig und auch in seinem eigenen Lügennetz ein ausgewiesener Narzisst. Stellt sich die Frage, ob er dort gefangen ist oder sich frei wähnt wie eine giftige Spinne.
Autofiktionale Literatur ist seit einigen Jahren in Mode. Spätestens seit die französische Schriftstellerin Annie Ernaux 2022 den Literaturnobelpreis verliehen bekommen hat. In Deutschland ist gerade Julia Schoch in aller Munde. Die Autorin vom Prenzlauer Berg hat gerade ihre autofiktionale Trilogie abgeschlossen und befindet sich auf Lesereise. Mir ist aufgefallen, dass man, aber auch frau, nicht ständig die oben erwähnten Schlüsselwörter benutzen muss, damit sich das ganze erlebte und erzählte Leben stets ausschließlich um die eigene Person dreht, so geschwind, dass einem schwindelig wird wie in einem Tivolikarussell.
In dem oben erwähnten Gespräch sprachen wir auch darüber, wie politisch der Botenmeister ist.
Tage später, 75. Todestag von George Orwell. Am Gedenktag viel Erinnerungskultur im Radio. Eine Behauptung des Literaturwissenschaftlers Dominic Angeloch: Orwell ist ein Solitär. Für mich steht er völlig eigen und allein da. Und das ist gerade das, was ihn zum Weltautoren macht. Denn man kann kaum eine Zeitung aufschlagen ohne das jemand fragt, was hätte Orwell darüber gedacht oder was wäre seine Meinung dazu gewesen.
Im Juni 1946 schrieb George Orwell den Essay Warum ich schreibe: „Bei einem Blick auf die letzten ein, zwei Seiten dessen, was ich hier schreibe, fällt mir auf, dass es den Eindruck erweckt, als wären meine Beweggründe für das Schreiben rein auf die Öffentlichkeit gerichtet. Das will ich nicht als bleibenden Eindruck stehenlassen. Alle Autoren sind eitel, selbstsüchtig und faul, und ihre Beweggründe bleiben ein Rätsel. … Aber es stimmt auch, dass man nichts Lesenswertes schreiben kann, wenn man nicht immer wieder darum kämpft, die eigene Persönlichkeit hintanzustellen. …Wenn ich auf meine Arbeit zurückblicke, fällt mir auf, dass immer dann, wenn ich keinen politischen Zweck verfolgte, ein lebloses Buch daraus wurde und ich mich zu blumigen Formulierungen, bedeutungslosen Sätzen ausschmückenden Adjektiven und ganz allgemein zu Unsinn hinreißen ließ.“
Abschließend meinte mein Gesprächspartner sinngemäß: Wir sind inzwischen in einem Alter und in einer Routine angelangt, wo unsere Gedanken zum und über das Ich ohne Bedeutung geworden sind – solange deine Texte dich nicht zu allgemeinen Unsinn hinreißen lassen.