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Der Verkehr nimmt zu. Der Platz dafür ist endlich. Straßenverkehr ist gemeint und selbstverständlich ist man Partei – es kommt in erster Linie darauf an, mit welchem Verkehrsmittel man unterwegs ist.

Zugreisende erregen sich selten bis nie über Autofahrer, höchstens in der Theorie oder im Allgemeinen, jedoch nicht in der Praxis und in den Kampfzonen. Umgekehrt ist das genauso. Bei Autofahrern und Radfahrern ist das anders: konfliktgeladen und wenig harmonisch.

Wie gesagt, ich möchte hier keine Partei ergreifen, denn ich sitze gerade weder hinter dem Lenkrad noch auf dem (Drahtesel)Sattel, sondern auf dem Schreibtischstuhl und bewege mich gerade auf einem verkehrsgesicherten, weil unbeweglichen, mehr oder weniger stauähnlichen und somit neutralen Terrain.

In der Stadt, in der ich lebe, gibt es realisierte und geplante Verkehrskonzepte, so auch in der Stadt, in der ich ebenfalls gerne leben mir wünsche. Beide Städte haben einen Hauptbahnhof, beide einen oder mehrere Autobahnanschlüsse. Und beide Städte werben gerne mit einem Etikett wie „The best and most livable bike mega world metropole - La méga métropole mondiale du vélo la meilleure et la plus vivable - Den bedste og mest beboelige cykel mega verdensmetropol“.

Im Grunde könnten beide Verkehrskonzepte voneinander Nutzen beziehen. Warum das schwierig ist, so meine These, könnte am unterschiedlichen Nationalcharakter liegen, in diesem Fall dem niederländischen einerseits und dem deutschen andererseits.

Während meiner Studentenzeit hatte ich ein Seminar über die Soziologie der Niederlande besucht und überrascht feststellen müssen, dass der katholische Anteil der Bevölkerung etwa gleich groß ist wie der protestantische. Bis dato war ich davon ausgegangen, die Niederlande sei ein mehrheitlich protestantisches Land. Beide Bevölkerungsgruppen leben mehr oder weniger getrennt voneinander und wenig miteinander. Dies funktioniert unter einem nationalen Dach allerdings nur dann weitgehend störungsfrei, nämlich bei einer, der niederländisch sprichwörtlichen Toleranz. Sicher, ein Idealtypus, aber deswegen nicht prinzipiell eine Unmöglichkeit.

Deutschland hingegen, die verspätete Nation, war historisch über lange Zeiten ein geopolitischer Flickenteppich, der nur mit vielen Regeln und Verordnungen funktionierte. Der deutsche bürokratische Überlauf heutzutage ist eine direkte Nachwirkung davon.

Und diesen Flickenteppich gibt es auch im deutschen Verkehrswegeplan: Gehsteige, Autofahrbahnen, Fahrradwege, Parkplätze etc. zwar getrennt gekennzeichnet, aber physisch unzureichend voneinander getrennt. Wird doch bei genügend Regeln, Verordnungen und Verboten - deutscherprobt - schon funktionieren, so die Erwartungshaltung.

Nach einem Feldversuch mit Radlern und Autofahrern in beiden Städten, wurden die Teilnehmer anschließend gefragt, welche Merkmale ihnen, auch im Vergleich, dabei aufgefallen seien. Das Ergebnis: Da wo die Verkehrswege konsequent getrennt sind, wobei die Trennung ja gar nicht so rigoros vollzogen werden muss, wie zwischen Straße und Schiene ;-) , da sei alles besser gewesen: Verkehrsfluss, Verkehrssicherheit und nicht zuletzt der menschliche Gefühls- und Erregungshaushalt aller Beteiligten, nicht zuletzt der menschliche Gefühls- und Erregungshaushalt, nicht zuallerletzt, ja wirklich, der menschliche Gefühls- und Erregungshaushalt tatsächlich aller Beteiligten.

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