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Was hilft gegen die Dummheit? Die Frage, dem diese vorausgehen muss: Was ist eigentlich mit Dummheit gemeint?

Früher war Dummheit eine private Angelegenheit und sie wurde nicht negativ bewertet. Als Idiotes bezeichnete man im Altertum einen Menschen, der sich nicht am politischen Leben beteiligte. Später, im Mittelalter waren ungebildete Privatpersonen ideale Untertanen für die hohen kirchlichen und adeligen Herrschaften. Auf der einen Seite Wissen, Macht und Reichtum, auf der anderen Seite Armut, Arbeit und eben Dummheit. Dieser auf zwei Säulen beruhender Aufbau schien unverrückbar in Stein gemeißelt und garantierte gesellschaftliche Stabilität.

Mit dem Siegeszug der Wissenschaft und der Aufklärung keimte dann die optimistische Überlegung auf, das Volk könnte mithilfe von Bildung und politischer Beteiligung schlau und damit auch wohlhabender werden. Das hat vollumfänglich nicht funktioniert.

Dietrich Bonhoeffer, Theologe und Widerstandskämpfer hat es einmal so ausgedrückt. Dummheit sei nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt. Und Dummheit sei ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit.

Für den Philosophen Immanuel Kant war sie ein Gebrechen des Kopfes, ihr sei gar nicht abzuhelfen. Eine soziologische Definition stammt von Carlo Cipolla, einem italienischen Ökonomen: Dumme Menschen zeichnen sich durch mehrere Merkmale aus. Sie sind zahlreich und irrational. So verursachen sie Probleme für andere, wodurch sie das Gesamtwohl der Gemeinschaft reduzieren.

Apropos, menschlicher Defekt: Zwischen Dummheit und Dreistigkeit sind die Grenzen oft fließend, vor allem dann, wenn Menschen nicht mal eine leise Ahnung von der eigenen Beschränktheit haben. In ihrem oft mit Schleim ausgelegten kleinen Schneckengehäuse haust diese besonders verhaltensauffällige Gruppe von Menschen. Es herrscht dort ein übersteigertes Ego vor, wo sich mangelnde Impulskontrolle und offenkundige Dummheit auf spektakuläre Weise mischen. Menschen aus dieser Gruppe bevorzugen das große Gewese und Getöse, das große Wort. Widerspruch und faktenbasierte Kritik wischen sie mit großer Geste vom Pult, hinter dem sie sich gerne auf Applaus wartend in Szene setzen.

Obwohl rational bekannt sein sollte, wohin Nationalismus, Wissenschaftsfeindlichkeit, Umweltzerstörung und Egozentrismus führen, erhalten Populisten und Radikale gerade vielerorts enorm viel Zuspruch. Das Phänomen Dummheit speist sich aus vielen Quellen: Überheblichkeit, Bequemlichkeit und mangelndes Wissen. Sie können allerdings dann gefährlich werden, wenn sie sich mit Ideologien, politischem Chauvinismus, religiösem Eifer oder Esoterik paaren.

Bei Donald Trump sind die dummdreisten Äußerungen bestens dokumentiert. Erstaunlicherweise scheint das seine Fans nicht im Geringsten zu stören – ganz im Gegenteil: Gerade die Dreistigkeit seiner Reden, die ständigen Übertreibungen und falschen Behauptungen sind ganz nach dem Gusto seiner Anhänger - Brüder im Geiste, insofern sogar demokratiekonform. Trump ist ja auch unterhaltsamer als jeder Faktencheck und das Bedürfnis, sich zu Tode zu amüsieren ist in einer Konsumgesellschaft stets verführerisch. Das Beispiel Trump beweist in Blöde, Blödheit, ob bewusst inszeniert oder natürlich gewachsen, hat Hochkonjunktur. Traurig und gefährlich wird es, wenn Dummheit in Massen auftritt, Blasen bildet und immun ist gegen Sachargumente – das ist dann die gefürchtete Schwarmdummheit, mit dem Potential, dass diese Massen politisch mehrheitsfähig werden. In den Kommentarspalten von Facebook, X und anderen Brutstätten des Banalblöden kann man diese Entwicklung verfolgen, wenn man es denn aushält.

In westlichen Gesellschaften wird der Zugang zum Wissen nicht beschränkt wie in autoritären Staaten. Alle können theoretisch am globalen Wissenschaftsschatz teilhaben, über viele Kanäle, vom guten alten Lexikon über die klassischen Informationsmedien, öffentliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Teilhabe an sozialen Medien sowieso. Dieses Übermaß von Informationen ist für die zunehmende Verblödung der Gesellschaft jedoch auch mitverantwortlich. Ohne grobe Vereinfachung kommt das Gehirn mit diesen Reizüberflutungen und der Vielzahl sich widersprechender Infos nämlich nicht klar.

Im Lauf der Evolution hat der Mensch gelernt, dass mentale Verkürzungen das Überleben sichern. Unser Gehirn setzt erlernte und tief verankerte Verhaltensmuster ein, um Entscheidungen gerade in Krisenzeiten zu treffen: Wenn ein Unwetter aufzieht, suchen wir schnell und reflexartig und eben nicht reflektierend Schutz, weil wir intuitiv genau wissen, dass es kurz darauf blitzt und eine lange Leitung lebensbedrohlich wäre. Allerdings passieren beim Vereinfachen auch Pannen, etwa wenn Vorurteile und Fehlinformationen dazukommen, und dieser psychologische Mechanismus lässt sich leicht manipulieren. Menschen sind anfällig für simple Botschaften, auch wenn sie falsch sind. („Es ist leichter jemanden zu täuschen, als jemanden davon zu überzeugen, dass er getäuscht wurde“, Mark Twain)

Kann Bildung helfen, solch kognitiven Verzerrungen zumindest einzuhegen? Dass das Projekt Aufklärung gescheitert ist, will man ja nicht so einfach akzeptieren. Aber intelligent ist nicht das Gleiche wie gebildet, und dumm ist nicht das Gleiche wie ungebildet. Zwar zeigen Studien, dass eine längere Schulbildung die Intelligenz fördert. Mangelhafte bis ungenügende Bildung (und Erziehung) - Bitte Setzen, nicht aufstehen! - ist jedoch nur eine Erklärung dafür, dass Rechtsextremismus, Wissenschaftsfeindlichkeit, Antisemitismus und Verschwörungsglauben gerade solch große Resonanzen erfahren. Aus der sozialpsychologischen Forschung weiß man, dass ideologische Angebote für identitätsverunsicherte Existenzen dabei eine ganz besondere Rolle spielen. Viele Leute wären wohl intellektuell imstande, die Lügengebäude von Populisten zu durchschauen – sie sind aber blockiert durch ihren Hass und durch tiefsitzende Vorurteile.

Was hilft gegen Dummheit? Selbst Albert Einstein fühlte sich hilflos: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

Dummheit bleibt wahrscheinlich großflächig widerstandsfähig, aber man kann durchaus dagegen angehen. So wie „Dumme zu allem Bösen fähig seien, wenn sie erst zum willenlosen Instrument geworden sind“, wie Bonhoeffer einst schrieb, sollten die Nicht-Idiotes zum Guten fähig sein. Sie sollten sich öffentlich engagieren, das Schneckenhaus abwerfen und vor die Tür treten, gerne auch für alle sichtbar zur Demonstration. Denn die Widerstandskraft des Geistes und gute Taten helfen gegen Dummheit und Zerstörung, so sah es der große Theologe und Menschenfreund Dietrich Bonhoeffer kurz vor seinem Tod. Diese Haltung ist Vorbild.       P.S.: Dumm sind immer nur die anderen - Gott sei Dank und leider zum Gefallen des Teufels.

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