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Hinweis:  3. Oktober 2024 - Feiertag

Es ist die Fähigkeit, Informationsnetzwerke zu bilden, das sei der entscheidende Faktor. Jene Fähigkeit, welche die Menschen zur Menschheit gemacht haben. Es ist die These des Historikers Yuval Noah Harari in seinem neuen Buch Nexus - Eine kurze Geschichte der Informationsnetzwerke. Harari hat Sachbuch Bestseller geschrieben wie Sapiens - Eine kurze Geschichte der Menschheit und Homo Deus - Eine Geschichte von Morgen. Keine Täuschung wegen des Wortes kurz. Seine Bücher haben den langen Atem der „Big History“. Seine Menschheitsgeschichten beginnen in der Steinzeit, enden nicht in der Gegenwart, sondern reichen bis in die (gut begründeten) Unabwägbarkeiten der Zukunft. Man könne genug aus der Geschichte der Menschheit lernen, um die Zukunft aus der Gegenwart abzuleiten, so Harari.

Seine Bücher sind auch immer eine Warnung vor dieser Zukunft, wenn man denn will, ist es auch Apokalypse-Literatur. In Nexus ist es die Künstliche Intelligenz (KI), die mehr Einfluss und Macht erlangen könnte, als es der Menschheit lieb sein kann.

Die Zukunft der KI, die er neuerdings beschreibt, stellt jedoch alle bisherigen Apokalypse-Szenarien in den Schatten. Ist KI aber nicht sinnvoll für den Fortschritt? Die Erfindung des Buchdrucks war es doch auch. Könnte man nicht vergleichen, denn bisher sei der Mensch das wichtigste Element eines Informationsnetzwerkes gewesen, egal ob das auf mündliche Weitergaben basierte, oder unter menschlicher Verwendung von Tontafeln, Büchern oder Akten. Die KI schaffe sich dagegen Netzwerke ohne Menschen. Das sei das revolutionär Neue.

Harari stellt in seinem neusten Buch grundsätzliche Fragen: Ist der Mensch überhaupt fähig, sich gegen die Machtansprüche der KI zu wehren? Der totale Kontrollverlust drohe.

Wenn er zum Beispiel schreibt, dass die Autoren der Bibel gar nicht die entscheidende Rolle gespielt hätten: Es seien vielmehr diejenigen gewesen, die den Buchinhalt bearbeiteten und somit kontrollierten. Diese hätten den entscheidenden Einfluss gehabt. Was aber, wenn die nächste große universelle Metageschichte nicht von Kirchen-Kuratoren, sondern von Maschinen erzählt wird? Das meint er mit totaler Kontrolle, bzw. Entgleisung von Kontrolle.

Eines ist dem Autor wichtig. Er will das naive Verständnis entkräften, das davon ausgeht, dass solche Netzwerke eigentlich dazu da sind, Wahrheit zu transportieren, dass sie zu Wissen und Erkenntnis führen würden. Für die Wissenschaft mag das gelten, für eine Gesellschaft gestützt auf demokratische Standards vielleicht auch noch, also für Systeme, die zur Selbstkorrektur fähig sind. Doch wenn sich ein anderer Mechanismus durchsetze, sprich ein populistisches Informationsverständnis, spätestens dann führe Wissen zu unkontrollierbarer Macht.

Harari schreibt, dass Information eben nicht nur zur Wahrheit, sondern auch zur Ordnung führe und die wiederum bestehende Machtstrukturen unterminiere. Als Beispiel nennt er die Bürokratie. In den Akten und Listen des Informationsapparates moderner Staaten stecke viel Information, die für sich nutzlos sei – die aber dienen kann, der manipulierbaren Macht. Somit transportiert Information für ihn keine Wahrheit, sondern zementiert Ordnungssysteme, die auf Ideen und Ideologien basieren. Apropos Ideologien: Religionen setzen Götter voraus, der Kapitalismus basiert auf Geld, Gesetze und Landesgrenzen sind die kennzeichnenden Größen von Staatsgebilden. Allesamt Konstrukte, die auf Denksystemen beruhen, die nicht zwangsweise Realität abbilden.

Harari betrachtet künstliche Intelligenz weniger als technisches, wissenschaftliches oder ökonomisches Phänomen, sondern als eine gesellschaftliche Triebkraft, der er wesensgleiche Autonomie zuschreibt. Er deutet dann auch gleich mal den Begriff um. Die KI sei gar nicht künstlich, sondern vielmehr eine andersartige Intelligenz.

Die Menschen müssen also erst einmal begreifen, dass sie es ab jetzt mit etwas zu tun haben, was es in der Form noch nie gab – eine andersartige Intelligenz, die ohne Bewusstsein und Gefühle trotzdem handeln kann. Das ist Unfassbare Macht.

Was im Buch folgt, ist eine Abfolge von Katastrophenprophezeiungen. Autokraten könnten KI nutzen, um an die Macht zu gelangen und um die Gesellschaft zu kontrollieren. Die Welt könne sich in isolierte Informationszellen aufspalten. Die Aufklärung mit ihrem Willen, nach Wahrheit zu suchen, könne verschwinden. All das gilt es zu verhindern, denn sonst drohe eine Apokalypse, die Harari nicht nur der Menschheit, sondern dem gesamten Leben auf dem Planeten Erde prophezeit:

O-Ton Harari: „Soweit wir heute wissen, könnten Affen, Ratten und die anderen organischen Lebewesen des Planeten Erde die einzigen bewussten Wesen im gesamten Universum sein. Wir haben nun eine nicht-bewusste, aber sehr mächtige andersartige Intelligenz geschaffen. Wenn wir sie falsch handhaben, könnte KI nicht nur die menschliche Herrschaft auf der Erde auslöschen, sondern auch das Licht des Bewusstseins selbst und damit das Universum in ein Reich völliger Dunkelheit verwandeln.“

Das richtige Buch also zu düster werdenden Monaten. Eine jahreszeitliche Dunkelsicht im Dämmerlicht.

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