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Der Politologe Herfried Münkler, Autor des Buches Welt in Aufruhr, sieht die bisherige Weltordnung in Auflösung: Europa müsse lernen, sich dieser Veränderung zu stellen und der neuen Realität, welche Gestalt sie auch einnehme, ins Auge schauen.

Derzeit blicken nur 13 Prozent der Bevölkerung in Deutschland optimistisch in die Zukunft. Fast 60 Prozent geben an, Nachrichten zu vermeiden. Werden der Krisen zu viele, blendet eine steigende Zahl von Menschen alles, was ihnen zu viel ist, also einfach aus. Keine guten Aussichten, denn Herausforderungen können nicht bewältigt werden, wenn in die Leere gestarrt wird. Diese Perspektive mag der Angst vor Veränderung geschuldet sein. Doch diese Sicht führt zur Passivität und führt direkt hin zu realen Bedrohungsszenarien.

Nach Münklers Diagnose lösen sich die Strukturen der aktuellen Weltordnung auf. Politiker, die glaubten, die bisherige sei zukünftig wieder herzustellen, lägen falsch. Das sagte er bei einem Vortrag in Würzburg.

Vielmehr bilde sich gerade eine neue globale Konstellation heraus, die keinen einheitlichen globalen Wertehorizont mehr habe. Dafür stand bisher die USA. Eine Sache der Vergangenheit und in der Rückschau müßig, ob dies unterstützt oder in Frage gestellt wurde. Die alte globale Ordnung habe auf wirtschaftliche statt auf militärische Macht gesetzt und bis dato versucht, internationale Konflikte in der Regel mit politischen Mitteln zu lösen.

Den USA sei dabei eine Art Wächterrolle zugekommen, mitunter mit Zwang oder Zustimmung gegenüber bzw. von anderen, aber auch mit wohlwollender Duldung von diesen im Angesicht fehlender Alternativen, die sie, die USA, aber spätestens mit dem Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan abgelegt hätten. Eine wahrscheinliche Präsidentschaft Trump 2.0 werde diese Entwicklung lediglich beschleunigen, aber ohne jegliche Kontrollmechanismen. „Ich glaube, zu unseren Lebzeiten werden wir keine Ordnung mehr finden und in keiner mehr leben, die einen solchen Aufpasser hat“, so Münkler.

Solch eine Rolle wolle nämlich niemand mehr gleich der mythischen Figur Atlas schultern. Die Macht, die das erfordere, werde zukünftig abgelöst durch Mächte, die sich in nationaler Nabelschau, in gegenseitiger Konkurrenz und Rivalität betrachten. Das zeige sich exemplarisch, einem Paradigmenwechsel gleich, im Umgang der Welt mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. „Das ist nicht eine Delle in dieser Ordnung, sondern es ist deren Ende“.

In einer neuen Weltordnung werden Münkler zufolge verschiedene Großakteure auftreten. Nicht entschieden sei, wer sich in dem Konkurrenzkampf durchsetzen werde. Europa müsse aktiv hinschauen und handeln, sich nicht passiv wegducken. Schauen, wie es sich trotz seiner verschiedenen Abhängigkeiten in dieser neuen Lage behaupten könne, um nicht seine Souveränität und Autonomie zu verlieren. Das werde mindestens anstrengend und nur mit der Veränderung gewohnter Lebensumstände zu bewältigen sein.

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