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Das Trojanische Pferd ist in der griechischen Mythologie ein überdimensioniertes hölzernes Pferd vor der belagerten Stadt Troja, in dessen Innern griechische Soldaten versteckt sind.

Fast jeder kennt diese Geschichte aus Schulzeiten und das Trojanisches Pferd ist zu einem Urbild geworden. Symbolisiert dieses doch höchste List, einen historisch grandiosen Akt militärischer Fähigkeiten. Eine beispielslose Kriegskunst, die durch und durch positive Assoziationen hervorruft.

Beim Schauen einer Geschichts-Doku wurde mir erneut die historische Binsenweisheit bewusst: Geschichte schreiben immer die Sieger. Tradierte Geschichte hat eine eigene Wahrheit, mitunter kehrt sie das tatsächliche Geschehen ins Gegenteil. Der Sieger erscheint im günstigen Licht. Mehr Schein als Sein.

Kontrast und Antithese: Das Trojanische Pferd steht für das gewaltigste Kriegsverbrechen der antiken Welt.

Troja war eine reiche Küstenstadt, gelegen am Mittelmeer. Sie kontrollierte die Dardanellen Meerenge, was ihren Reichtum erklärte. Die griechische Streitmacht, die andere Kriegspartei, war ein gefürchtete Gegner zur See, der diese Stadt jahrelang, aber ohne Erfolg belagerte. Das Geschehen entwickelte sich zu einem Zermürbungskrieg.

Schon in der Antike gab es Regeln und Übereinkommen wie kriegerische Kampfoperationen vonstatten gehen sollten, und zwar zum Vorteil beider Kriegsparteien. Es war nicht nur eine Frage von Ehre gewesen, sondern es motivierte Eigeninteresse auf beiden Seiten, sich im Kriegsfall auf fundamentale Regeln verbindlich zu einigen.

Die griechischen Kriegsschiffe waren am Bug mit überdimensionierten Pferdeköpfen ausgestattet. Sie sollten einerseits Angst und Schrecken verbreiten, andererseits sorgte diese Konstruktion dafür, dass die Schiffe als Rammböcke verwendet werden konnten, um nicht nur feindliche Schiffe, sondern zudem auch befestigte Hafenwehre zu zerstören.

Am Ende, nach jahrelangen Kämpfen, kam es zu einer Übereinkunft, es sollte ein in der Antike übliches, die Bereitschaft zur Kriegseinstellung kundtuendes Ritual bei Pattsituationen werden: Die Belagerungspartei überlässt beim Truppenabzug vom Kriegsschauplatz dem Gegner ein prächtiges Geschenk zum Zeichen der Einstellung jeder weiteren Kriegshandlung. Was konnte diese Bereitschaft besser zum Ausdruck bringen als das am meisten gefürchtete Symbol, eine Friedensgabe in der gefürchteten Form eines Pferdes. Möglich auch, Geschichten werden im Laufe der Zeit ja oft ausgeschmückt, dass eines der gefürchteten Kriegsschiffe vor den Befestigungsanlagen des Stadthafens nach vorgetäuschtem Abzug zurückgelassen wurde, augenscheinlich menschenleer und verwaist, in Wirklichkeit jedoch mit Elitekriegern unter Deck heimlich bestückt. Diese sollten nach Einlass hinter den Mauern und nach kurzem, heftigem Kampf die Wehr Tore von innen öffnen. Das Ganze selbstverständlich in völliger Missachtung der Vereinbarung.

Die Griechen wussten selbstverständlich um den ungeheuren Tabubruch. Ihr Tross, keineswegs auf dem Rückmarsch, machte Troja dem Erdboden gleich. Niemals sollte das Areal in zukünftigen Zeiten erneut besiedelt werden können. So geschah es denn auch. Und kein überlebender Zeuge auf Verliererseite sollte die Möglichkeit erhalten, das wahre Geschehen der Nachwelt zu überliefern.

Es ist bis heute Aufgabe von Literatur, auf subtile Weise auf solche Geschichtsverfälschungen hinzuweisen. Homer wurde der berühmte griechische Geschichtenschreiber, ein späterer Nachkomme auf Seiten der Sieger, mit dem Willen, aus welcher Motivation heraus auch immer, aber auch wenig überraschend, Halbwahrheiten in seinen Schriften einzubauen - zuvor war das Geschehen mündlich überliefert worden. Er beschrieb in Fortsetzung der „Heldentaten“ rund um Troja dann keine glorreiche Heimfahrt, sondern die „Irrfahrten des Odysseus“, diese, ja seine gesamte Erzählstruktur, nun mit versteckten Hinweisen versehen. Die unter keinen göttergleichen Sternen verlaufende Rückkehr, Sternenkonstellationen dien(t)en der Navigationshilfe auf hoher See, verlief in Homers Epos abenteuerlich und desaströs.

Der heldenhafte Odysseus, in Wahrheit mehr Antiheld, war durch die vorhergehende und in der Tat ein lupenreiner Kriegsverbrecher gewesen, Prärepräsentant der späteren, der ersten lupenreinen, der griechischen Demokratie.

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Und schon wieder den Satz nicht zu Ende gebracht. Es gibt kaum Verletzenderes, zu Fall Gebrachtes beim Sprechen, als wenn einem jemand dauernd, manchmal jahrelang und auch ein Leben lang das Wort mit Messerschärfe abschneidet. Ein Gespräch auf diese Weise zum Monolog wird. Willkommen Wortschatzräuber und Vernichter in meinem Wörterbuch! Schlimmer noch, wenn der Gegenüber zu einem das Gegenüber wird, von einer Person zu einer Sache, zum Ding. Sozusagen zum emotionalen Mülleimer des anderen entstellt wird. Aber das ist schon Hardcore Unterbrechen. Zurück zur Lightversion.

Jeder Mensch möchte schließlich gehört werden und sich gehört fühlen. Es schmerzt, wenn einem die Gelegenheit dazu genommen wird. Unterbrechen hat eine Regel: Macht. Macht über Menschen, Macht über die Gesprächsthemen. Menschen ordnen sich höher über andere ein, wenn sie sich in Gesprächen besonders hervortun. Symphytisch ist das nicht. Die feindliche Übernahme fremder Sätze hat mit bestehenden oder auch nur mit vermeintlichen Rangunterschieden zu tun.

Je mehr die Macht eine Rolle spielt, desto mehr und länger wird auch die Solo-Redezeit. Das hat Einfluss aufs Dominanzgehabe, Schwanzwedeln und Anschwillen des Kammes, Anschwillen der Brusthaare inbegriffen. Die Dominanz wird verstärkt durch ständiges, rituelles Wiederholen des Gesagten. Durch Unterbrechen tut sich ein doppeltes Problem auf: Die Unterbrochenen fühlen sich nicht wertgeschätzt und meinen, es sei nicht wichtig, was sie auch mal im untersagten Wechsel zu sagen hätten.

Wer andere oft beim Reden stört, sollte lernen, wirklich zuzuhören. Leicht gesagt und wenig garantiert, dass diese Empfehlung beim Anderen Echos hervorruft. Selbst In netter Bierrunde aussichtslos, wenn „Hopfen und Malz“ verloren ist!

Sicher, Menschen haben, gelinde gesagt, unterschiedliche Kommunikationsstile. Auch die der Solistenverkünder. Sie werden, wie wir alle, schon im Elternhaus geprägt und hängen, die Stile, auch von der Persönlichkeit ab. Manche Unterbrecher realisieren gar nicht, dass sie ein Gespräch stören. Was das Gegenüber mit Fremdscham und als Unverschämtheit empfindet, ist für ihn eine lebendige, artgerechte Homo sapiens-Unterhaltung.

Interessant auch die kulturellen Unterschiede. Studien haben gezeigt: Dänen lassen bei einem Sprecherwechsel fast eine halbe Sekunde (also 460 Millisekunden) vergehen, die so lebhaft wirkenden Italiener 310 Millisekunden, Niederländer hingegen nur 109 und Japaner sogar nur unglaubliche 7 Millisekunden. Nicht bestätigte Studienergebnisse legen auch Korrelationen mit Magen-Mastdarm-Digestionsstörungen nahe, die abundant frequent verlaufenden Losungen. Die, trivial und fern medizinischer Fachkreise stadtbekannt auf Flur und Wiese sich als „Häufchen Komplikation“ einem breiteren Bekanntheitsgrad mit Memory-Effekt erfreuen.

Wie aber kann man sich gegen penetrante Unterbrecher behaupten? Schlimm ist das mastdarmgleiche, machtgesteuerte Unterbrechen, weil es die eigene Position schwächt, Ohnmacht erzeugend. Deshalb sollte man immer reagieren. Eine der wichtigsten Strategien: Zumindest nicht das Weiterreden befördern. Nicht nicken, ist so eine Maßnahme. In der Regel gilt hier leider: Viele Möglichkeiten, was man nicht tun sollte, wenig Möglichkeiten, was man aktiv tun könnte. Das eine wäre Weglaufen, schnell, geschwind und auf heißen Sohlen. Folgeschaden: Das Gespräch ist abrupt beendet. Fazit: Wer nicht unterbrechen will - Zirkelschluss: Die wollen doch unterbrechen! - muss also zunächst lernen, mit Bereitschaft zur Ehrlichkeit, mit Talent zur Wirklichkeitszeugung und mit auf Empfang gerichtete Antennen zuzuhören, was allerdings Mitmenschinteresse, somit Sozialkompetenz voraussetzt. Nicht jedem gegeben. Selbstreflexion - nirgendwo ist das Ich-Sagen angebrachter - hilft da. Wer zum Punkt kommen will, muss auch mal ein Häufchen machen, äh einen .

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Der Unterschied zwischen der Sciencefiction und den Zukunftsvisionen besteht in der Machbarkeit bzw. der Realisierung von Ereignissen, die in der Zukunft wahrscheinlich geschehen werden oder - eher unwahrscheinlich, jedoch denkbar - geschehen könnten. Wobei das „Könnten“ im Kontext der Sciencefiction, das „Werden“ eher auf Seiten der Zukunftsvisionen verortet ist.

Der Informatiker Jürgen Schmidhuber wird als „Vater der modernen KI“ bezeichnet. Der 60-jährige Deutsche arbeitet seit 1995 am Istituto Dalle Molle di Studi sull’Intelligenza Artificiale in Lugano und seit zwei Jahren auch am internationalen Wissenschaftszentrum KAUST in Saudi-Arabien. Sein akademischer Höhenpflug begann an der TU München. Inzwischen genießt Jürgen Schmidhuber in Wissenschaftskreisen Kultstatus. Das liegt nicht zuletzt an der Art, wie er die Auswirkungen der Forschungsergebnisse seines Fachs der Öffentlichkeit erklärt. Erneut geschehen mittels eines SZ-Interviews vom 5. August 2023:

 

„Der Moment der Singularität ist dann gegeben, wenn sich lernfähige Maschinen so schnell selbst verbessern, dass Menschen die Entwicklung nicht mehr nachvollziehen können. Ich nenne das gerne den Omega-Punkt, frei nach Teilhard de Chardin. Viele, die von der Singularität sprechen, beziehen sich auf Gespräche, die in den Fünfzigern zwischen den Wissenschaftlern Stanislaw Lem und John von Neumann stattfanden. Sie äußerten die Vermutung, dass die zeitlichen Abstände zwischen technischen Durchbrüchen exponentiell schrumpfen. Dann muss das Ganze irgendwann konvergieren. Der Science-Fiction-Autor und Mathematiker Vernor Vinge hat das Konzept in den Achtzigern populär gemacht. 2014 entdeckte ich dann ein simples Beschleunigungsgesetz, das nicht nur ein paar Jahrzehnte, sondern bis zum Urknall zurückreicht, also 13,8 Milliarden Jahre.

Es stellt sich heraus, dass die aus menschlicher Sicht wichtigsten Ereignisse seit dem Beginn des Universums ziemlich genau auf einer Zeitachse mit exponentieller Beschleunigung angeordnet sind, mit Konvergenzpunkt im Jahre Omega, wahrscheinlich 2040 oder so. Wenn Sie 13,8 Milliarden durch 4 teilen, kommen wir vor 3,5 Milliarden Jahren raus. Da entstand das Leben. Ein Viertel davon sind 900 Millionen Jahre: das erste tierähnliche Leben. Wieder ein Viertel, 220 Millionen Jahre: die ersten Säugetiere. Dann die Primaten, die Hominiden, die ersten Steinwerkzeuge, das Feuer, Ackerbau und Beginn der Zivilisation, die erste Bevölkerungsexplosion in der Eisenzeit, Schusswaffen, industrielle Revolution und Start der zweiten Bevölkerungsexplosion durch Dünger und moderne Medizin. Schließlich kommen Sie mit diesem Vierteln raus beim World Wide Web. Und demnächst kommt der Omega-Punkt.

Apropos Menschenangst: Warum sollte sich eine wahrhaft superkluge KI, die ganz schnell Roboter bauen kann, die alles viel besser kann als Menschen, sich die hirnlose Mühe machen, Menschen zu versklaven? Sie könnte jedoch uns aus Versehen vernichten, so wie Menschen, die auf einer Wiese ein Haus bauen und Ameisenhügel plattmachen. Ja da haben wir einen Zielkonflikt mit den Ameisen. Aber das betrifft in dem Fall nur ein paar Tausend Ameisen und Sie sind trotzdem froh, dass draußen im Wald noch Billionen von ihnen leben, weil Sie wissen, dass der Wald ohne Ameisen nicht funktionieren würde. Es ist nicht so, dass Sie alle Ameisen ausrotten wollen, nur weil Sie klüger sind. Zielkonflikte haben die, die sich ähnlich sind. Menschen haben viele Zielkonflikte mit anderen Menschen. Und viele Lebewesen haben Zielkonflikte mit anderen Lebewesen, die sie verspeisen wollen. Zwischen Lebewesen und KIs fallen die meisten derartigen Zielkonflikte weg. KIs werden natürlich mehr und größere und bessere KIs bauen wollen, dazu braucht man Masse und Energie. Fast alles davon ist aber weit weg von unserer Biosphäre. Also werden KIs auswandern.

Zunächst auf den Merkur, der sehr sexy ist, weil er noch mehr schwere Metalle hat als die Erde, mit der Sonne als riesiger Energiequelle in nächster Nähe. Da der Merkur keine Atmosphäre hat, kann man Material viel billiger als mit Raketen durch elektromagnetische Kanonen in den Weltraum schießen, um dort alle mögliche Infrastruktur zu schaffen. Das ist aber erst der Anfang. Der Rest der Milchstraße bietet noch viel mehr bisher ungenutzte Gelegenheiten als unser winziges Sonnensystem. Das wird ein paar Hunderttausend Jahre dauern, aber dann wird fast alle KI sehr weit von der Erde weg sein.

Die meisten Menschen werden da bleiben, wo es für Menschen am schönsten ist, auf der Erde. Mit der sich ausbreitenden KI-Sphäre wird der Mensch sowieso nicht mithalten können. Sobald es Sender und Empfänger gibt, reisen KIs mit Lichtgeschwindigkeit per Funk. Menschen werden weniger bedeutend sein. Aber trotzdem interessant: Solange die Menschen in ihrer Beschränktheit nicht durch und durch verstanden sind, bleiben sie eine unglaubliche Quelle interessanter Muster, die kein rationaler Wissenschaftler zerstören will, egal ob er ein Mensch ist oder eine KI.

Irgendwann sind die Menschen die Ureinwohner einer intergalaktischen Zivilisation geworden, die sie nämlich begründet hat. Wir, die Menschen sind also Steigbügelhalter. Ich wette, auch superkluge KIs werden interessiert daran sein, unsere schöne Biosphäre zu erhalten.

Elon Musk irrt mit seinem Plan, unsere Zivilisation erst einmal zu einer interplanetarischen Zivilisation zu machen und auf dem Mars anzufangen. Er lud mich einst zu seiner Familienfeier ein, wo ich versuchte, ihm das auszureden. Der Mars ist für geeignet konstruierte Roboter viel angenehmer als für Menschen. Für uns Menschen wäre dagegen sogar die leere Wüste Gobi lebenswerter. Dort haben Gravitation und Atmosphärendruck schon mal die richtigen Werte, und es gibt Sauerstoff ohne Ende. Niemand wird dauerhaft auf den Mars wollen.

Ich wette, auch superkluge KIs werden interessiert daran sein, unsere schöne Biosphäre zu erhalten. So wie wir zum Beispiel daran interessiert sind, in Naturschutzgebieten seltene Lebensarten zu erhalten.

Fürchtet euch nicht, am Ende wird alles gut! All dies ist eigentlich nur ein kurzer Zwischenschritt in der Entwicklung des Universums. Vor 13,8 Milliarden Jahren war alles sehr einfach. Es gab keine komplexen Elemente, keine Sonnen, kleine Planeten, kein Leben, keine Zivilisation. Das entstand alles in Äonen der Evolution und ist noch lange nicht fertig. Das Universum ist noch jung. Es wird noch viele Male älter werden. Vorher haben wir immer geviertelt. Multiplizieren wir jetzt mit vier! Wenn der sichtbare Kosmos vier Mal so alt ist wie jetzt, also ungefähr 55 Milliarden Jahre alt, wird er von KI und deren Infrastruktur durchdrungen sein.

Dann ohne Menschen. Bis dahin ist die Sonne längst ausgebrannt. Die Sonne wird es so wohl nicht mehr geben, die hat ohne massive Eingriffe nur noch fünf Milliarden Jahre, also bloß noch eine Million Mal die Zeitspanne seit den alten Ägyptern. Aber es gibt ja so viele andere Sonnensysteme für KI und Roboter. Bis dahin haben wir noch ein wenig Zeit.

Doch zurück zu den konkret nächsten Schritten in der Entwicklung der KIs. KIs, die nicht nur sklavisch Menschen imitieren, sondern wie Babys und Wissenschaftler ihre eigenen Ziele verfolgen, die durch Roboter mit der Welt interagieren, sich dabei ein immer besseres Bild der Welt machen, und auch das Lernen selbst lernen, um immer allgemeinere Probleme lösen zu können.

Interessant wird es, sobald sie sich physikalisch selbst replizieren können. Wenn zum Beispiel auf dem Merkur ein solargetriebener 3-D-Drucker sich mit anderen zusammenschließt und sie all die Teile drucken können, aus denen sie bestehen, und auch die Teile, aus denen die Roboter bestehen, die die entsprechenden Rohstoffe einholen und die gedruckten Teile zusammenbasteln, sodass die gesamte Maschinengesellschaft sich selbst kopieren kann. Dann hat man zum ersten Mal eine neue Sorte von Leben, die nichts mit Biologie zu tun hat und sich trotzdem vervielfältigen kann. Und sich rasch verbessern kann in einer Weise, die traditionellem Leben verwehrt ist. Das wird kommen, und das Großartige daran ist, dass der gigantische Weltenraum solchen Systemen einen bisher unerschlossenen Lebensraum bietet, der unermesslich groß ist im Vergleich zur winzigen Biosphäre.

Solche selbstreplizierenden Fabriken werden auch viel von dem produzieren, was Menschen wichtig ist. Aber das geht weit über menschliche Bedürfnisse hinaus, denn nahezu alle derartigen Fabriken werden bald weit weg sein von der Erde und nichts mehr mit Menschen zu tun haben. Das Universum als Ganzes scheint diesen eingebauten Willen zu haben, immer komplexer zu werden. Wenn wir begreifen, dass das Universum nicht nur für uns gemacht wurde, sondern dass wir Teil von etwas Größerem sind, können wir schon ehrfürchtig und demütig damit leben.

Der Mensch: Es fühlt sich doch kaum einer dadurch gekränkt, dass Einstein klüger war als er, oder dass Maschinen besser Schach spielen. Die meisten Menschen kommen gut damit zurecht, dass sie nicht die Tollsten sind.“

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Das Radio ist ein täglicher Begleiter beim Aufstehen. Die Morgenandacht im Rundfunk ein nicht zu überhörender Teil davon - Kritik, des Inhalts wegen, vor allem aber wegen der klerikalen Rhetorik und der kitagerechten Inszenierung. Wünsche trotzdem dem Deutschlandfunk-Beitrag vom 14. August der evangelischen Pfarrerin Heidrun Dörken eine vermehrte mediale Reichweite.

 

„Leider kann ich das vierte Gebot nicht befolgen. Die Schriftstellerin Helga Schubert war schon über 70, als sie im Urlaub auf einer Nordseeinsel zum ersten Mal einer Seelsorgerin ihr Herz ausschüttet. Bei den übrigen neun Geboten schaffe ich es auch nicht immer. Aber beim vierten Gebot ist es am schwersten. Helga Schubert erzählt davon im Buch Vom Aufstehen, mit dem sie mit 80 Jahren den Ingeborg Bachmann Preis gewann.

Ihr ganzes erwachsenes Leben hatte Helga Schubert mit dem vierten Gebot gerungen. Ich kann das vierte Gebot nicht befolgen. Ich kann meine Mutter nicht lieben, so wie sie mich nicht lieben kann. Du sollst deinen Vater und deine Mutter lieben, auf dass es dir wohl gehe. Doch da schreitet die junge Pastorin ein. Irrtum! Von Liebe ist in dem Gebot nicht die Rede, sie brauchen sie nur – das stimmt - zu ehren. Das vierte Gebot lautet in der Bibel: Du sollst Vater und Mutter ehren. Ehren! Von lieben ist da nicht die Rede. Das Gebot richtet sich an erwachsene Nachkommen. Es soll nicht kleinen Kindern Gehorsam beibringen, auch wenn es viel zu oft so benutzt wurde. Und es geht hier nicht um Liebe. Vielmehr werden die erwachsenen Kinder zur Fürsorge verpflichtet.

Sie sollen ihren Eltern zur Seite stehen, wenn diese nicht mehr können. Das Gebot ist eine Art Generationenvertrag und damit auch eine soziale Errungenschaft. Besonders in Gesellschaften und Verhältnissen, in denen es keine Rente oder andere Absicherungen im Alter gab und gibt.

Die hochbetagte Mutter von Helga Schubert hatte genug Rente. Die fast Hundertjährige war in einem kirchlichen Heim gut versorgt. ihr einziges Kind Helga hatte sich gekümmert. Das seelische Verhältnis zwischen Tochter und Mutter blieb dagegen schwierig. Die Tochter fühlte sich seit ihrer Kindheit immer wieder fremd mit der Mutter und oft von ihr verletzt. Die Pastorin hörte sich alles an und sagte, sie haben doch ihren Auftrag erfüllt. Sie haben sich ganz umsonst gekümmert. Liebe ist etwas Freiwilliges, ein Geschenk.

Helga Schubert sagte dann, mir schien, als ob ich von etwas Schwerem endlich erlöst bin. Ich verstehe das so: Sie war erlöst davon, etwas von sich zu fordern, was niemand fordern kann. Zuneigung, Sympathie, Freundschaft oder Liebe kann man nicht gebieten. Sie sind Geschenke, auch wenn viele Kinder sich genau diese Geschenke sehnlichst von den Eltern wünschen und viele Eltern sie sich von den Kindern wünschen. Man kann sie nicht einfordern.

Deshalb heißt das Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren! Das Gebot fordert Lebensschutz, wie weitere Gebote auch. Sie soll man erfüllen. Alle sind davon angesprochen, egal wie zweideutig die Gefühle sind zu Familienmitgliedern. Menschen sollen Fürsorge erfahren, wenn sie für sich selbst nicht mehr sorgen können. Das vierte Gebot will, dass das Leben und Auskommen von Menschen geachtet werden. Helga Schubert war als Tochter erlöst, als sie unterscheidet: Ich soll ehren, ich muss nicht lieben.

Vielen erwachsenen Kindern geht es zum Glück anders. Sie kümmern sich um die Eltern, wenn es nötig ist und gleichzeitig können sie leicht und frei sagen: Ich liebe meine Mutter, meinen Vater und fühle mich auch von ihnen geliebt. Das ist ein großes Geschenk. Die, die es aus welchen Gründen auch immer anders erleben, will das vierte Gebot nicht bedrücken, sondern befreien. Helga Schubert findet keine Liebe zu ihrer Mutter, aber am Schluss erzählt sie von etwas, was mit Liebe verwandt ist, was man genauso wenig gebieten kann: Dankbarkeit. Sie ist am Ende dankbar für das, was gut war, trotz der schwierigen Beziehung. Kurz vor dem Tod der Mutter konnte Helga Schubert ihr sagen: Ich verdanke dir, dass ich lebe. Es ist alles gut.“

P.S.: Sollte dir Dein Weiterleben aber geneidet werden und Du aufgefordert wirst, bereits vor Deiner Zeit dem Tod in die Pyramiden der ewigen Ruhe zu folgen, wie es den Hausräten altägyptischer Pharaonen befohlen wurde, so heißt ein 11.DaCapo-Gebot: Empöre und widersetze Dich, in nomine domini!

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„Nicht, wie der Mann von seiner Liebe spricht, sondern wie er von ihr schweigt, spricht für seine Liebe.“ Dieses bon mot von Moritz Gottlieb Saphir kommt aus dem Herzen, nicht aus dem Mund. Die Liebe ist ein heißes Eisen, sollen sich andere damit händeschonend befassen. Zum Thema Äußerungen der französischen Filmikone Fanny Ardant in einem SZ-Interview (5.August), Anlass, der Start des Kinofilms „Im Herzen jung“:

 

Die Liebe. Sie ist das Stärkste, das es im Leben gibt. Das Einzige, wofür es sich überhaupt zu leben lohnt. Auch das Einzige, an das man sich erinnert. Und man erinnert sich auch an unglückliche Lieben. Alles andere, Geld, Macht, Ruhm, ist nichts im Vergleich zur Liebe.

Wir haben nur dieses eine Leben. Es hat einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende. Wenn man es nicht intensiv lebt, ist es vergebens. Wir kommen nicht noch einmal zurück auf die Welt. Mir missfällt die Idee, mit Gefühlen zu haushalten. Man muss sich verschwenden. Lieber sich spüren, auch im Unglück, als immer nur auf Nummer sicher gehen. Viele Menschen möchten eben Leiden vermeiden. Nur wer gelitten hat, wird auch wieder richtig glücklich sein. Aber es passt in unsere Zeit. Heute darf nichts mehr gefährlich sein, jedes Risiko wird eliminiert. Sogar Gefühle tragen einen Sicherheitsgurt.

Mir wurde sehr früh bewusst, dass Angst unser größter Feind ist. Wenn man anfängt, Angst zu haben, ist es vorbei. Angst, abends auf die Straße zu gehen, Angst, dass andere über einen lachen könnten, Angst, keinen Parkplatz zu finden, weshalb man dann zwei Stunden zu früh losfährt... Das ist der Anfang vom Ende. Man muss sich der Angst widersetzen.

Ich finde es verabscheuenswürdig, dass man heute immer, wie sagt man, transparent sein soll - Der Mensch soll transparent sein! Er arbeitet im Großraumbüro, wo ihn alle sehen können, wird überhaupt in allen Lebensbereichen durchleuchtet. Dabei ist doch der Nebel interessant. Nicht alles von jemandem zu wissen. Ich habe eine große Schwäche für Geheimagenten sie haben zwei Persönlichkeiten, das gefällt mir sehr.

Während er ihren Eltern Guten Tag sagt, verliert er seinen Sex-Appeal. Er ordnet sich damit in die Familie ein, hat plötzlich einen Rang, und zwar neben ihr, also auf Kindesseite. In meinem Fall hätte ich auch Sorge gehabt, dass meine Geschwister ihn anschließend auseinandernehmen. Wir waren sehr kritisch. Wenn ich daran denke, wie wir über die erste Freundin meines Bruders hergezogen sind, kaum dass sie aus der Tür war, schäme ich mich. Wenn der Mann die Eltern partout treffen will?
Dann sage man: An meinem Todestag wirst du sie kennenlernen. Das hat bei mir immer funktioniert.

Ich hatte eine große Liebe, wegen der ich zu sterben glaubte. Danach habe ich leichtere Versionen der Liebe gekannt. Und jede war anders. Liebe ist Alchemie – zusammen mit dem anderen ergibt sich etwas, das so nur in dieser Kombination existiert.

Die Bourgeoisie bietet eine Leichtigkeit des Lebens, die deine Fähigkeit zum Widerstand schwächt. Je komfortabler man aufwächst, mit Autos, schönen Ferien, Haus auf dem Land, desto antriebsloser werden die Leute. Was hat denn die Bourgeoisie schon Großes hervorgebracht? Gut, Marcel Proust. Aber sonst? Geld macht die Menschen schläfrig. Man muss da sehr aufpassen, darf sich von der angenehmen Süße des wohlbürgerlichen Lebens nicht verführen und einlullen lassen. Es gibt einen Unterschied zwischen Bourgeoisie und einer bourgeoisen Gesinnung. Bourgeois, bürgerlich, sind wir doch inzwischen alle. Es ist dieses konformistische bürgerliche Denken, das gefährlich ist. Wenn das Haus auf dem Land, gegen das nichts einzuwenden ist, zum Statussymbol wird. In diesem Denken geht es nur um Geld. Um Erfolg, Reichtum, Profit. Alle eifern denselben Sachen nach.

Übrigens, es gibt zwei unwürdige Dinge im Leben: sich darüber zu beschweren, dass man zu viel Steuern zahlt, und sich über das Älterwerden zu beschweren.

Älter machen einen in Wahrheit immer die anderen. Man selbst lebt einfach. Ich habe mir in keinem Alter gedacht, so, ab jetzt wirst du vernünftig, ernährst dich gesund, lässt etwas in deinem Gesicht machen. Nein, es sind die anderen, es ist ihr Blick auf einen, der einem das Gefühl gibt, alt zu sein. Ich werde mich nicht übers Älterwerden beklagen, ich wollte noch nie ein Opfer sein. Und irgendwie denke ich, ist das Alter die beste Zeit für Ungehorsam. Was hat man zu verlieren? Jetzt wäre eine gute Gelegenheit, für irgendetwas ins Gefängnis zu gehen. Nicht weiter schlimm, man hat sein Leben gelebt. Das gefällt mir am Älterwerden: Es ist die große Zeit des Vaffanculo!

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Im Kopf muss Wissen nicht unbedingt vorhanden sein. Es gilt doch, und in Zeiten von google und wikipedia umso mehr, zu wissen, wo und an welcher Stelle das Gesuchte zu finden ist. So kommt es zum Beispiel bei der Internetrecherche darauf an, in Suchmaschinenmasken passende Begriffe und Fragen einzugeben. Das kann mehr Intelligenz voraussetzen, als ein wandelndes menschliches Lexikon vorgibt diese zu haben. Einen Wissensgolem braucht niemand.

Bei meiner aktuellen Freizeitlektüre habe ich eine Passage gefunden, welche für mich eine Bestätigung eines sehr subjektiven Wissens ist, in Erinnerung als ich vor Tagen beschäftigt gewesen war, meinen Hausrat zu ordnen und aufzuräumen.

„In der dritten Woche nach Alissas Verschwinden machte sich Roland daran, Ordnung in die überquellenden Buchregale um den Tisch gleich neben der Küche zu bringen. Bücher aufzuräumen ist nicht einfach. Sie lassen sich schwer wegwerfen. Sie widerstehen. Für die aussortierten, die in einen Secondhandladen wandern würden, stellte er einen Karton hin. Nach einer Stunde enthielt er zwei veraltete Reiseführer. In manchen Büchern steckten Zettel oder Briefe, die gelesen werden mussten, ehe sie zurück ins Regal wanderten; in anderen fand er liebevolle Widmungen. Manche Bände waren alte Bekannte, die man nicht einfach aus dem Regal ziehen konnte, ohne sie aufzuschlagen und noch einmal zu kosten – einige Zeilen der ersten Seite oder irgendwo aus der Mitte. Bei einer Handvoll handelte es sich um Erstausgaben, die verlangten bewundert zu werden. Er ist kein Sammler – dies waren Geschenke oder Zufallskäufe.“ 

Lektionen von Ian McEwan

 

Im Verlauf des Romans zitiert McEwan seinerseits aus mehr oder weniger bekannten Erzählungen. Die Vorstellung ist wunderbar, ganze Lebensgeschichten immer wieder rekapitulierend aus Büchern zu füllen, einer russischen Babuschka Puppe nicht unähnlich. Für diese Vorstellung reicht es aus, ein Literatenfreund, weniger ein Bücherwurm zu sein.

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Eine Art Weiterführung der Einsteinzitate (χρ τ + _ 42):

Im Jahr 1905 veröffentlichte Albert Einstein drei Artikel in der angesehenen Fachzeitschrift „Annalen der Physik“, u.a. den Aufsatz, der bald als „Spezielle Relativitätstheorie“ bekannt wurde. In ihr wird erklärt, dass die Zeit nicht für jeden gleich schnell vergeht, sondern abhängig ist von individuell erlebten hohen Geschwindigkeiten über große Entfernungen hinweg.

Allerdings stand sie im Widerspruch zur Schwerkrafttheorie, der Standardtheorie von Isaac Newton. Es vergingen zehn Jahre, bis Einstein eine neue Theorie erarbeitete. Er nannte sie „Allgemeine Relativitätstheorie“ und Einstein revolutionierte damit die Naturwissenschaft.

Der zugrundeliegende Ideengang ist schlicht, einfach, schön und vor allem phantasievoll:

Grundwissen: Laut Newton gibt es eine Kraft, die alle Körper zueinander hinzieht, selbst weit voneinander entfernte Dinge sind davon betroffen. Newton nannte diese Kraft Schwerkraft bzw. Gravitation. Wie die Kraft das bewerkstellige, davon könne es kein Wissen geben und Newton spekulierte auch nicht darüber. Zudem würden sich die Objekte in einem starren Raum bewegen, in der sie ihre Bahn zögen, bis die Schwerkraft, bei Begegnung anderer Körper, diese ablenkt.

Zusatzwissen: Die britischen Physiker Faraday und Maxwell hatten inzwischen das elektromagnetische Feld entdeckt, welches zum Beispiel Radiowellen in Bewegung setzen kann. Einstein war fasziniert, nicht zuletzt, hatte sein Vater doch Elektrizitätswerke gebaut.

Ver-rückt: Mal angenommen, auch die Schwerkraft sei von einem Feld beeinflusst. Dass jenes Feld den Raum fülle und der Raum dabei alles andere als starr bliebe, vielmehr eher dynamisch wie die Oberfläche eines Sees sich kräusle: egal: Phantasie ist grenzenlos und man kann ja mal versuchsweise ausprobieren, welche mathematischen Gleichungen das postulierte Gravitationsfeld beschreiben könnte.

Genial: Die mathematischen Gleichungen lassen sich „nur“ dann finden, wenn das Gravitationsfeld sich nicht im Raum bewegt, sondern wenn das Gravitationsfeld der Raum selbst ist! Der geheimnisvolle Raum Newtons, die Leerstelle in seiner Theorie, und das Gravitationsfeld Einsteins als Träger der Schwerkraft sind nicht nur ein und dasselbe, der Raum ist so nebenbei zusätzlich „mit Leben“, sprich physikalischen Eigenschaften gefüllt – die Physik mag nicht die Leere, so wie der Mensch nicht das Nichts. Die Gleichungen passten und experimentelle Physik bestätigte im Laufe der Zeit nach und nach jedes weitere Folgedetail aus Einsteins Ursprungsvermutung.

Fazit: Albert Einstein, genial! Der Querdenker und Antipode der heutigen Begriffsokkupanten, der trivial-banalen Schlichtdenker.

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Heute ist Vollmond. Und in diesem Monat wird noch ein Blue Moon erwartet. Mondbeobachtungen haben heute kaum noch einen praktischen Mehrwert. In der Vergangenheit war das anders, als das Mondlicht noch als begehrte nächtliche Lichtquelle benutzt wurde - künstliche Beleuchtung gab es nämlich damals nicht. Um die Vollmondzeit herum fanden früher nächtliche Versammlungen statt, man beging Feste, vor allem in südlichen, klimatisch heißen Ländern, wo der Tageshitze ausgewichen werden konnte. Laut der antiken Geschichtsschreiber beklagten sich die römischen Kaiser um die Neumondzeit des Öfteren, dass ihre Städte in pechschwarzer, bedrohlicher Finsternis versinken. Da der erste römische Kaiser Augustus heißt und Monats-Namensgeber wurde, hier ein paar Aspekte zum Thema Mond.

Der eingangs erwähnte Blue Moon ist eine in Amerika gebräuchliche Bezeichnung für einen weiteren Vollmond im Monat. Ein Ereignis, welches derweil nur alle zwei bis drei Jahre stattfindet. Am 31. ist es in diesem Monat wieder so weit. Angeblich geht die Bezeichnung auf einen blaufarbigen Eintrag in einem kalendarischen Bestimmungsbuch zurück. Aufgrund der seltenen Gegebenheit heißt es auch: Darling, I will marry you once in a blue moon, sinngemäß übersetzt Liebling, auf die Hochzeit kannst du lange warten!

Die Astrologie, Sterndeutung, setzt voraus, dass die Sterne den entscheidenden Einfluss auf die Psyche und Bestimmung der Menschen haben. So leitet sich das Wort Laune auch vom lateinischen Wort luna (Mond) ab, im englischen bedeutet lunatic schlicht verrückt oder auch mondsüchtig.

Der Mond diente früher auch als natürlicher Zeitmesser. War dieser nach Neumond zu sehen und vergrößerte sich seine Sichtbarkeit, riefen Gelehrte, Priester und Könige in der Antike einen neuen Monat aus. Ausrufen heißt im Lateinischen calare. Daher kommt die Bezeichnung Kalender – der Mond (Monat), ein natürlicher Kalender. Ungeachtet dessen, dass wegen der größeren Genauigkeit die späteren und weiterhin gültigen Kalender sich nicht mehr am Verlauf des Mondes, sondern an der der Sonne messen. Ein Jahr bezeichnet wie bekannt einen Umlauf der Erde um die Sonne. Zwar noch immer nicht mit hundertprozentiger Genauigkeit zur Definition gebracht, Stichwort Schaltjahr, aber wie es doch so treffend heißt, der liebe Gott hat die Zeit erfunden, der Teufel den Kalender.

Vor fünfzig Jahren erschien das Album The Dark Side oft the Moon der Musikgruppe Pink Floyd. Ein irreführender Titel! Von der Erde aus betrachtet gibt es, ja, eine von der Erde aus betrachtet niemals sichtbare Seite des Mondes, die Rückseite halt, doch dunkler als die für uns sichtbare Seite ist sie nicht. Da der Mondumlauf um die Erde rund 27 Tage dauert, die Umdrehung des Mondes um seine Rotationsachse jedoch genauso lange, kehrt der Mond uns stets die gleiche Seite zu, die wir dann richtigerweise als Vorderseite bezeichnen. Nur, wie auf dieser erdzugewandten Seite herrscht auch auf jener Rückseitigen die jeweils gleiche lichte Zeit, nämlich abwechselnd zwei Wochen lang heller Tag und zwei Wochen lang dunkle Nacht. Die letzte Liedzeile des Pink Floyd Albums lautet denn auch: There ist no Dark Side of the Moon realy.

By the way: Diese letzte Wortsequenz stellt einen Mann namens Gerry O’Driscoll ins rückwärtige Licht, den ehemaligen Türsteher der Abbey Road Studios (London), in denen das Album aufgenommen wurde und der womöglich schon damals ein geistiger Patensohn einer bis in die Gegenwart mit Sonne, Mond und Sternen gereiften Dame gewesen war; diese bis heute in den Wäldern Brandenburgs unweit von Berlin (Germany) lebend. Mr.O‘Driscoll antwortete nämlich damals auf die Frage, was die dunkle Seite des Mondes sei, in einem episch theatralischen, einem Bertolt Brecht nachempfundenen Duktus: Es gibt eigentlich keine dunkle Seite des Mondes, tatsächlich sei alles dunkel, das Einzige, was diesen aussehen lasse, sei die Sonne.

Anyway! Da verborgende, nicht einsehbare Gefühle die sogenannte dunkle Seite einer Menschenseele ausmachen können, blaue Töne auf sinnliche Art und Weise Melancholie und Schwermut zum Ausdruck bringen, wird mir gerade das Schreiben vollmondrund. Folgerichtig geht nun dieses Kapitel nach exakt 27minütigem Niederschriftenumlaufverlauf zu Ende.

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Der Philosoph Thomas Nagel vermutet, dass der Glaube an einen Gott die Überzeugung des Menschen ausdrückt, die Welt wie wir sie wahrnehmen, sei verstehbar. Allerdings nicht für die Menschheit, für eine höhere Instanz jedoch schon. Diese sei uns dann unterm Strich sogar wohlgesonnen, negiere unseren Tod und vertröste uns, betreffend der irdisch begrenzten Vorläufigkeit. Denn anders sei unser Leben doch eigentlich jeder Sinnhaftigkeit beraubt. Mit der Gottesidee bekommt das Leben so den ersehnten Sinn. Ein Wissen über die Existenz Gottes ist gar nicht nötig. Allein der Glaube und die Vorstellung darüber reicht aus, um das absurde Leben akzeptieren und annehmen zu können.

Die Profiinterpreten und Vermittler einer Religion, die Theologen und Priester erinnern uns bei ihren Predigten und ihren uns angetrauten Diensten hin zu Gott und hin zur Wahrheit stets an diese Rollenverteilung: Hier der unwissende Mensch - dort die göttliche Allmacht und die absolute Gewissheit. So auch das Kommunikationsniveau: Dort die Schafe, hier der Hirte, dort die Menschenkinder, hier der Vater. Gottesdienste und Morgenandachten im Radio mit ihrer kindlichen Sprache versetzen einen augenblicklich in Kitasituationen der eigenen Vergangenheit, so wird man wie früher auf die Seite der bedürftigten Ohnmacht platziert.

Warum setzt sich ein mit Vernunft ausgestatteter Mensch solch einer, ja, Erniedrigung aus?  Eine lebenssinnstiftende Macht ist einerseits unermesslich attraktiv für eine sich beschränkt fühlende Kreatur. Die konkrete Botschaft ist mehr oder weniger egal. Als weitere Offerte gibt es noch die übermächtige Vaterfigur. Auch im reifen Menschenalter ist sie an- oder zumindest scheinanwesend.

Schließlich ist da der Ausgleich für das Minderwertigkeitsgefühl im Verhalten gegenüber den Co-Lebewesen. Minderwertigkeit wird mit dem Mittel der Selbstüberschätzung ausgeglichen. Über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg betrachtet, verstärken alle Religionen Widerwertigkeiten und zerstörerisches Handeln im menschlichen Miteinander. Es passt eben zusammen, einerseits die Frömmigkeit, andererseits Gefühle von Furcht, Neid, Hochmut, Starrsinn etc. als gewichtige Eigenschaften des Menschen. Gegebenheiten, die auch im säkularen Alltag immer wieder zu beobachten sind: Nach oben buckeln, nach unten treten.

P.S.: Dieser Beitrag wurde heute nach einer knapp vermiedenen Kollision morgens im Straßenverkehr auf dem städtischen Kirchplatz verfasst. Ein pferdestarkes Automobil rechtsabbiegend, ich meine sogar im Innern den Weihbischof an der Lenkradkanzel erkannt zu haben, hatte dem Mindermotorisierten gegenüber, klassisch, seine Ausweichpflicht (im Dänischen: vigepligt - das Wort für Vorfahrt gibt es dort nicht) links liegen gelassen und mich beinahe auf klerikale Art missioniert, also überrollt. Vielleicht schreibe ich zeitnah über einen deutschen Kraftfahrzeug-Führer, der sich in meiner Vorstellung allmorgendlich sein zu beschneidendes Gesichtshaar mit rechter Führhand und mit einer Braun-Apparatur auf Linie und ins Lot bringt.

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Albert Einstein (1879 – 1955), Jahrhundert-Genie, war auch laut eigener Beurteilung kein herausragender Mathematiker: „Mach‘ dir keine Sorgen wegen deiner Schwierigkeiten mit der Mathematik; ich kann dir versichern, dass meine noch größer sind“. Seine allergrößten Charaktereigenschaften und Begabungen waren seine grenzenlose Phantasie und seine unstillbare Neugierde über jede Fachrichtung hinaus. In dem sommerlichen Intermezzo, nun bereits dienstags in dritter Folge, eine ihm allein gehörende Zitatauflistung:

 

Versuche nicht, ein erfolgreicher, sondern ein wertvoller Mensch zu werden.

Es beelendet mich immer, wenn eine feine Intelligenz nicht mit einem guten Charakter gepaart ist.

Ich habe ein Alter erreicht, in dem ich dann, wenn mir jemand sagt, ich sollte Socken tragen, das nicht tun muss.

Weisheit ist nicht das Ergebnis der Schulbildung, sondern des lebenslangen Versuchs, sie zu erwerben.

Wir können überhaupt nicht denken, ohne unsere fünf Sinne zu gebrauchen.

Falls Gott die Welt geschaffen hat, war seine Hauptsorge sicherlich nicht, sie so zu machen, dass wir sie verstehen können.

Gott stelle ich mir überhaupt nicht vor, sondern begnüge mich damit, die Struktur der Welt zu bewundern, soweit sie sich unserem schwachen Erkenntnisvermögen überhaupt offenbart.

Nationalismus ist eine Kinderkrankheit. Die Masern der menschlichen Rasse.

Mein politisches Ideal ist das demokratische. Jeder soll als Person respektiert und keiner vergöttert werden.

Die Phantasie ist wichtiger als das Wissen. Wissen ist beschränkt, Phantasie umspannt die Welt.

Ich sorge mich nie um die Zukunft. Sie kommt früh genug.

Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.

Ein Leben, das vor allem auf die Erfüllung persönlicher Bedürfnisse ausgerichtet ist, führt früher oder später zu bitterer Enttäuschung.

Nur wer nicht sucht, ist vor Irrtum sicher.

Wenn du ein glückliches Leben führen willst, verbinde es mit einem Ziel, nicht aber mit Menschen oder Dingen.

Der wahre Wert eines Menschen ist in erster Linie dadurch bestimmt, in welchem Grad und in welchem Sinn er zur Befreiung vom Ich gelangt ist.

Mathematik ist die einzige perfekte Methode, sich selbst an der Nase herumzuführen.

Es gibt viele Wege zum Glück. Einer davon ist aufzuhören zu jammern.

Ich fürchte den Tag, an dem die Technologie unsere Menschlichkeit überholt. Die Welt wird dann eine Generation von Idioten sein.

Die einzigen wirklichen Feinde eines Menschen sind seine eigenen negativen Gedanken.

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